Miteinander reden - Miteinander lernen

Evangelischer Bildungsimpuls 4

Jesu Auferstehung

von Dorothea Zager und Werner Zager


Das Todesurteil, das über Jesus von Nazareth gesprochen und am Kreuz vollstreckt wurde, hatte nicht das letzte Wort. Dem Tode Jesu folgten Ereignisse, die allem Gewesenen eine völlig neue Dimension verliehen. Die Evangelien berichten: Jesus wurde gesehen. Er habe mit den Jüngern gesprochen. Und wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Deutung aller dieser Ereignisse als neue, kraftvolle Botschaft unter den entmutigten Jüngern: Der gekreuzigte Jesus ist auferstanden, von Gott auferweckt und ins Recht gesetzt worden. Jesus lebt.

Diese Botschaft gilt als das „Urdatum“ des christlichen Glaubens und erfüllt seither mit ihrer Kraft nicht nur die Verkündigung im Gottesdienst, sondern auch die Seelsorge an Kranken- und Sterbebetten und letztlich auch die Trostpredigt an den Gräbern. Dennoch ist nicht zu verkennen, dass immer mehr Menschen – bis hinein in die sogenannte „Kerngemeinde“ – mit der Osterbotschaft ihre Not haben.

Einem Menschen, der es gewohnt ist, vernünftig und logisch zu denken, fällt es unsagbar schwer, sich die Rückkunft eines gestorbenen Menschen aus dem Tod vorzustellen. Dann über ein geistiges Wiederaufleben hinaus auch noch eine leibliche Auferstehung für möglich zu halten, also die Neubelebung des toten Körpers, dazu ist kaum ein aufgeklärt denkender Mensch ernsthaft in der Lage. „Das gibt es nicht!“, ruft in ihm eine innere Stimme. Und sie ruft es wie ein nagender Zweifel unter all dem Osterjubel in unseren Kirchen. Wenn wir die Osterlieder singen, das Osterevangelium hören, einer Osterpredigt folgen, leise oder manchmal sogar unüberhörbar tragen wir diese innere Stimme mit uns herum: „So etwas gibt es nicht.“ Und wir spüren es selbst: Solange wir nicht bereit sind, dieser Frage und diesem Zweifel offen ins Gesicht zu sehen, ihn beim Namen zu nennen, ernst zu nehmen und ihm eine Antwort entgegenzusetzen, die ihn wirklich verstummen lässt, solange werden wir nie mit wahrhaft froher und befreiter Seele Ostern feiern können. Und solange bleibt uns auch eine unbestimmte Angst vor unserer eigenen Todesstunde; denn wir können nicht sicher sein, ob unser von Zweifeln geschüttelter Auferstehungsglaube uns dann wirklich noch tragen wird.

Bereits Albert Schweitzer hat eine solche klare Auseinandersetzung mit den be­rechtigten Anfragen der Menschen unserer Zeit gefordert, wenn er schreibt:

Schon an dem dunkeln Wort ‚Auferstehungsgeschehen‘ nehme ich Anstoß. Was ist darunter verstanden? Was wird dadurch verhüllt? Es ist eine Ausflucht, nur sich über die Auferstehungsfrage nicht klar ausdrücken zu müssen ...

Wenn wir die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Osterbotschaft offen auf den Tisch legen, wird deutlich: Es ist nicht nur die Leiblichkeit einer Auferstehung, die vielen an dieser Botschaft Mühe macht.

Da sind die mit dem antiken Weltbild verknüpften Vorstellungen von himmlischer Welt, vom Totenreich, in das Jesus hinabgestiegen sei, von Engeln, die den Menschen vom Handeln Gottes Kunde geben. Wir wissen, dass diese antiken Vorstellungen von uns so nicht mehr angeeignet werden können; denn sie sind schlichtweg vergangen. Deshalb brauchen wir sie auch nicht zu übernehmen.

„Ostern“ für uns heute gesagt, das bedeutet: Jesus wurde durch seinen Tod hindurch in Gott vollendet. Er wurde bei Gott aufgenommen in die ewige Geborgenheit, so wie wir es für uns selbst auch erhoffen und uns damit in die Jahrtausende alte Hoffnungskette derer einreihen, für die mit dem Tod nicht alles aus ist, sondern die darauf vertrauen, dass Gottes Macht stärker ist als die vernichtende und trennende Kraft des Todes.

Jesus nicht bei den Toten suchen, sondern mit ihm als dem lebendigen Herrn in Gemeinschaft treten und leben heißt nicht, dass wir uns zwingen müssten, uns einen wieder lebendig gewordenen Jesus von Nazareth vorzustellen, der mit seinen Jüngern vor seiner Himmelfahrt auf dieser Erde 40 Tage verkehrt sei. An den lebendigen Herrn glauben heißt vielmehr, seinem lebendigen Geist, seiner Botschaft von der Liebe Gottes und seinem Willen zur Menschenliebe in uns Raum zu geben und in uns lebendig sein zu lassen. Christenleben im Licht von Ostern heißt, mit Jesus in geistiger Gemeinschaft zu leben, ihn als Herrn anzuerkennen und ihm zu folgen in unserem Denken und Handeln.

Solche Botschaft verständlich und überzeugend weiterzusagen, könnte vielen fragenden und zweifelnden Christen weiterhelfen. Einen unserer Meinung nach gelungenen Versuch zeitgemäßer Osterverkündigung stellen folgende Gedanken aus einer von Albert Schweitzer nach dem Osterfest gehaltenen Predigt dar:

Worin besteht die Gemeinschaft mit Jesus? Diese Frage stellt sich wie von selbst nach Ostern. Dass wir mit Menschen, die um uns leben, in geistiger Gemeinschaft stehen, erscheint uns natürlich. Wie aber kann eine geistige Gemeinschaft zwischen uns und einem Menschen bestehen, den wir nie gekannt haben und der einer weit entschwundenen Vergangenheit angehört? […]

Es ist um die geistige Gemeinschaft mit Jesus doch etwas Ähnliches wie mit der geistigen Gemeinschaft mit den Menschen um uns her. Wenn ihr euch darüber klar werdet, warum wir mit einigen wenigen unter ihnen eine besondere Zusammengehörigkeit empfinden, die uns mit ihnen ganz anders als mit den andern verbindet, so findet ihr, dass wohl Gefühl, natürliche Zuneigung, eine gewisse innere Verwandtschaft mit dabei sind, dass aber die tiefste Gemeinschaft mit dem allem nichts zu tun hat, sondern aus einem gemeinsamen Wollen kommt.

Das Wollen ist das Elementarste in unserm Wesen. Zwei Menschen, die ein gleiches Ziel verfolgen und dies voneinander wissen, können sonst noch so ungleichartig sein, so äußerlich gar nicht zusammenpassend, sie hängen fester zusammen als durch irgendetwas anderes. Und das ist das tiefste und vornehmste Band, das Menschen miteinander verbindet: Miteinander etwas wollen.

Das seht ihr schon an den natürlichen Verhältnissen des Lebens. Das stärkste Band, das Mann und Frau fürs Leben zusammenhält, ist nicht die persönliche Zuneigung, sondern es sind die Kinder; dass sie beide, eins vom andern, wissen, dass sie für die Zukunft dieser sorgen und schaffen, sich selber erziehen, um erziehen zu können, sich versagen, was sie für sich möchten, um es den Kindern zugutekommen zu lassen; das eint sie, dass sie freudig miteinander leben und über die gegenseitigen Schwächen und alles das, was sie scheiden könnte, weit hinaushebt. So ist’s mit aller andern Zugehörigkeit von Menschen untereinander.

Überblicke die, welche dir nahe sind, und du wirst finden, dass du nur mit denen auf Leben und Tod geeint bist, geeint, dass wirklich die Seelen verbunden sind, mit denen du ein Streben nach einem Ziel des Lebens, nach etwas, was eines wie das andere verwirklichen will, gemeinsam hast, ob ihr’s nun aussprecht, oder ob ihr’s nur eines von dem andern wisst, ist gleichviel. Alles andere sind nur nähere oder fernere Bekannte. Geistige Gemeinschaft haben will heißen, dasselbe Ziel des Lebens haben, in der Welt dasselbe schaffen wollen.

Und da ist’s gleich, ob ein Mensch noch lebt oder nicht: Wenn wir nur im Wollen mit ihm eins sind, dann ist unser Geist von dem seinigen berührt und durchdrungen. Wir kennen wohl alle Tote, die wir lebend sahen und die wir hinausgeleiteten und die für uns doch nicht tot sind, sondern unter deren Augen wir leben, deren Geist wir in uns verspüren, deren Kraft uns überkommt, weil wir als die Überlebenden das fortsetzen, was sie wollten und in der Arbeit stehen, in welcher sie fielen. Und da ist es zuletzt ganz gleich, ob wir einen Menschen persönlich gekannt haben oder nicht, oder ob wir nur durch das, was wir von ihm durch Hören und Lesen wissen, uns bewusst sind, dasselbe zu wollen, zu hoffen wie sie und ihre Arbeit fortzusetzen.

So ist es auch mit Jesus. In ihm sind wir und bleiben wir, wenn wir uns in dem, was wir in der Welt wollen, eins fühlen und praktisch daran arbeiten. Die Gemeinschaft mit Jesus folgt aus dem, was wir im Namen Jesu tun.

Können wir uns denn dann mit Überzeugung dem österlichen Jubelruf anschließen: „Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“? Wir meinen: Ja; denn wenn Jesu Worte und Jesu Verhalten uns überzeugt haben, uns umtreiben und uns den Weg ins Leben weisen, wenn Jesu Geist in dieser Weise in uns lebendig ist, dann ist Jesus für uns nicht bloß eine große Persönlichkeit der Vergangenheit, sondern er ist eine lebendige Größe in uns, die unsere Gegenwart entscheidend prägt:

Jesus lebt für mich weiter, nicht weil berichtet wird, er sei auferstanden, was für uns unfassbar ist, sondern weil ich weiß, dass sein Geist sich in vielen Menschen lebendig erwies, und ich selber fühle, wie er bei mir zum Leben gelangen will.“

 © Prof. Dr. Werner und Dorothea Zager
Abdruck oder Veröffentlichung nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Verfasser


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