Miteinander reden - Miteinander lernen

E wie Entwicklungsländer


Von A bis Z. Wegweisende Texte 7

Entwicklungsländer


Liebe Leserin, lieber Leser,

heute handelt es sich um zwei Artikel aus dem Darmstädter Echo, die zu den ältesten meiner Sammlung zählen. Ich war zu dieser Zeit Vikar in Darmstadt bzw. kurz vor der Fertigstellung meiner Doktorarbeit.

Was mir an diesen Texten wichtig ist, ist die Einsicht, dass schon vor rund vierzig Jahren der Zusammenhang von menschlicher Umweltzerstörung und daraus sich ergebenden klimatischen Folgen bekannt war. Selbst eine normale Tageszeitung hat darüber informiert.

Umso erstaunlicher ist, dass dieser Zusammenhang bis in unsere Tage immer wieder bestritten worden ist – weil man nicht gelten lassen will, was dem eigenen Profitstreben oder auch nur der eigenen Bequemlichkeit zuwiderläuft.

Bereits im Jahr 1986, als das Ausmaß der Umweltzerstörung zunehmend ins Bewusstsein rückte, schrieb der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker ein Buch mit dem Titel „Die Zeit drängt. Der katastrophale Höhepunkt, so befürchtete er damals, stehe der Menschheit erst noch bevor. Deshalb rief Weizsäcker zu entschlossenem Handeln auf: „Kein Friede zwischen den Menschen ohne Frieden mit der Natur.

Worauf es heute ankommt, ist nicht allein ein Umdenken hinsichtlich unseres Verhältnisses zur Natur bzw. Schöpfung. Vielmehr ist ein neues Verhalten von uns Menschen angesagt. Verschieben wir es nicht auf Morgen! Denn die Zeit drängt.

Es grüßt Sie freundlich
Ihr Werner Zager


Nicht alle Naturkatastrophen sind gottgegeben

Der Mensch verschlimmert Dürre oder Hochwasser oft selbst: durch Eingriffe in die ausgewogene Umwelt

Von dpa-Korrespondent Wolf Achim Wiegand, London

Wie überzeugt man einen elendiglich Hungernden in der Einöde von Äthiopien davon, dass er jetzt einen Baum pflanzen muss, damit seine Nachkommen in etwa 20 Jahren eine Nahrungsquelle und einen Schattenspender haben?

Der Generalsekretär des Schwedischen Roten Kreuzes, Anders Wijkman, hat jetzt in London gemeinsam mit dem Internationalen Umwelt- und Entwicklungsinstitut „Earthscan“ eine Studie veröffentlicht, die den Ursachen und Auswirkungen von Katastrophen nachspürt. Das Büchlein „Natural Disasters – Acts of God or Acts of Man?“ (Naturkatastrophen – gottgegeben oder vom Menschen gemacht?) kommt zu dem Schluss, dass Dürren, Überflutungen oder Erdbebenverwüstungen meist deshalb entstehen, „weil der Mensch seine Umwelt ändert und sie daher katastrophenanfälliger macht“. Wijkman und sein Mitautor Lloyd Timberlake legen anhand statistischer Daten dar, dass zwar die Zahl der Katastrophen und der Todesopfer in den vergangenen Jahren zugenommen habe, dass aber kein Hinweis für eine Vermehrung natürlicher „Katastrophen-Auslöser“ – etwa mehr Sonneneinstrahlung, Regen oder Erdstöße – vorliege. Der Mensch selbst zerstöre seine Umwelt. Beispiele für verheerende Eingriffe in den ausbalancierten Kreislauf der Natur:

- Zu intensiver Pflanzenanbau: Der Ackerboden wird nährstoffarm.

- Zu intensive Tierhaltung: Vieh frisst Pflanzen weg.

- Zu starke Abholzung: Bäume und Wälder verschwinden.

Eine Folge derartiger Eingriffe sind Dürren wie am Horn von Afrika, in der Sahel-Zone und in anderen Regionen des Schwarzen Kontinents. Doch Überflutung – so geht aus der Studie hervor – ist die Katastrophenart, die weitaus am schnellsten überhandnimmt. Noch in den sechziger Jahren waren 5,2 Millionen Menschen jährlich von Wassermassen bedroht; in den siebziger Jahren waren es bereits dreimal so viele, nämlich 15,4 Millionen.

Jüngstes Problemland ist der arme asiatische Staat Bangladesch. In diesem Sommer litten dort nicht weniger als 30 Millionen Menschen unter den Folgen von Hochwasser. Vorausgegangen war heftiger Regen, doch die ausschlaggebende Ursache ist nach Angaben der Studie die Abholzung am Oberlauf der Flüsse in den Himalaja-Bergketten von Indien und Nepal. Seit dort Bäume und Sträucher verschwinden, bildet jeder Regenguss einen unaufhaltsamen, reißenden Strom: „Bangladesch importiert seine Katastrophen aus dem Ausland.“

Die Studie verweist auch darauf, dass „die Katastrophe desto katastrophaler ist, je ärmer die Nation ist“. Damit greifen sie ein Thema auf, das Entwicklungsexperten auch schon im Falle von Äthiopien vorbrachten. Dort nämlich hat die chronisch an Devisenmangel leidende Regierung den Anbau von Kaffeepflanzen forciert. Die teure Aufforstung ließ sie dagegen links liegen. Heutzutage verdient Äthiopien 60 Prozent seines Ausfuhrwertes mit Kaffeebohnen, doch die machen nicht satt: Als es zur Dürre mit fünf bis sechs Millionen Betroffenen kam, war das Land hoffnungslos unterversorgt.

Aus: Darmstädter Echo vom 16.11.1984.

Dem Raubbau folgt die Dürre

In Afrika rächt sich die Ausbeutung der Natur

Von Peer Meinert, Nairobi

Umweltzerstörung ist zur Geißel Afrikas geworden. Von Senegal bis Sambia, von Äthiopien bis Botswana haben Bevölkerungsexplosion und Landknappheit zum Raubbau geführt. Übertriebene landwirtschaftliche Ausbeutung, Überweidung und Feldbau auf ungeeigneten Böden heißen die Hauptübel.

Nach Angaben der UNO-Umweltorganisation Unep ist die ökologische Zerstörung zur Hauptursache von Hunger und Armut geworden. „Afrika ist ein Kontinent in der Krise. Er leidet an fortgesetzter Auszehrung seiner Ressourcen – der Pflanzendecke, des Bodens, des Wassers, des Viehbestandes und des Klimas.“

Allein in Schwarzafrika, südlich der Sahara, seien 6,9 Millionen Quadratkilometer von der Ausbreitung der Wüsten- und Halbwüstengebiete bedroht – eine Fläche 28-mal größer als die Bundesrepublik. „Über 80 Prozent des Ackerlandes sind zumindest mittelschwer betroffen.“ Seit 1968 sei ein Viertel des Weidelandes vernichtet worden. Jede Woche werden Bäume und Sträucher auf rund 480 Quadratkilometer abgeholzt, eine Fläche von der Größe West-Berlins. Laut UNO-Landwirtschaftsbehörde FAO [Food and Agriculture Organization of the United Nations = Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen] sind auf dem Kontinent bereits zwei Drittel der einst zwei Millionen Quadratkilometer tropischen Regenwaldes vernichtet.

Die Zerstörung der Umwelt verursacht möglicherweise einen Klimawechsel: Seit fast 20 Jahren sind die jährlichen Regenmengen merklich gesunken, nach Unep-Studien teilweise um 25 Prozent. „Das Phänomen der Dürre, das den Sahel betroffen hatte und sich dann auf alle Halbtrocken-Zonen ausbreitete, hat auf die Länder mit Wäldern übergegriffen.“ Experten sprechen bereits von einer „Verschiebung der ökologischen Zonen“.

Ursache sei wahrscheinlich die verstärkte Hitzereflexion (Fachjargon: Albedo) der nackten Erde, die die Luft stärker aufheizt und so die Wolkenbildung erschwert. Zugleich führe die Vernichtung der Wilder zum Verlust an Verdunstungswasser, das bislang etwa ein Fünftel der Gesamt-Niederschlagsmenge ergeben habe.

Uralte Anbaumethoden, die sich Jahrhunderte bewährt haben, werden jetzt zum Verhängnis. In weiten Teilen Schwarzafrikas ist nach wie vor der Wanderhackbau vorherrschende Methode: Die Erde wird von Bäumen und Sträuchern gerodet, einige Jahre bebaut, dann brach gelassen. Werden die Felder aber in zu kurzen Abständen bestellt, laugen sie aus. „Wanderanbau verlangt viel Land und verhältnismäßig wenig Menschen. Doch diese Verhältnisse existieren in weiten Teilen Afrikas nicht mehr“, so die internationale Umwelt- und Entwicklungsorganisation „Earthscan“.

Die Weltbank, größter multinationaler Entwicklungshilfegeber, zog Konsequenzen: Bisher uneingeschränkter Befürworter landwirtschaftlicher Produktionssteigerung, will sie künftig die ökologischen Folgen ihrer Arbeit stärker beachten.

Kritiker betonen bereits seit Jahren, dass nicht wenige Entwicklungsprojekte fatale Konsequenzen hatten. In Mali und Niger etwa hatte der Bau von Staudämmen schlimme Folgen: Der Niger-Fluss trat nicht mehr alljährlich über die Ufer, die traditionelle Bewässerung und die Ökostruktur ganzer Regionen gerieten aus dem Gleichgewicht.

Sengende Sonne, die dürftige Qualität der Äcker sowie die Konzentration der Niederschläge auf wenige Wochen Regenzeit sind nach Ansicht von Earthscan Ursache, „dass die meisten afrikanischen Böden schwierig zu beherrschen sind – ganz sicherlich, wenn Methoden angewandt werden, die in Europa und Nordamerika entwickelt wurden“.

Andere Kritiker bemängeln die Konzentration afrikanischer Regierungen auf Exportprodukte wie Baumwolle, Erdnüsse, Ananas oder Kakao. Dadurch werde der Anbau von Lebensmitteln für die eigene Bevölkerung auf Böden verdrängt, die für intensive Landwirtschaft ungeeignet seien.

Nach Ansicht der FAO wurden durch falsch angelegte Projekte zur Bekämpfung der Überweidung in den vergangenen 15 Jahren über eine Milliarde US-Dollar regelrecht vergeudet. Nach der Dürre 1974 wurden in weiten Teilen des Sahel Tiefbrunnen gebohrt. Folge: Die Nomaden gaben ihre Wanderungen auf, vergrößerten ihre Herden und zerstörten so die Weidegründe. Jahrzehntelang wurden Hirtenvölker als rückständig angesehen. Earthscan-Experte Lloyd Timberlake sagt dagegen, die nomadische Lebensweise sei „in vielen trockenen Weidegebieten die produktivste Nutzung des Landes, möglicherweise gar die einzig produktive“.

„Nach zwei Jahrzehnten erheblicher Infusionen ausländischer Hilfe und Ratschläge, oft fehlgeleitet und kontraproduktiv, muss sich Afrika jetzt mit der grundsätzlichen Ursache seiner Probleme auseinandersetzen: der Umweltzerstörung“, so Unep. Doch angesichts des Teufelskreises von Armut und Umweltzerstörung ist Abhilfe schwierig. Ein Experte: „Es sind gerade die Ärmsten der Armen, die ihre Lebensgrundlage von morgen vernichten, um heute zu überleben.“

Aus: Darmstädter Echo vom 13.5.1987.

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