Miteinander reden - Miteinander lernen

Der Kreuzestitulus INRI

Diese Passionsandacht können sie hier auch als Videoandacht ansehen.

Zu den „Arma Christi“ gehört auch der Kreuzestitulus „INRI“, über den wir heute nachdenken wollen. Dazu finden sich im Kreuzigungsbericht des Markus-Evangeliums die folgenden Verse:

Lesung 

„Und sie kreuzigten ihn. Und sie teilten seine Kleider und warfen das Los darum, wer was bekommen sollte. Und es war die dritte Stunde, als sie ihn kreuzigten. Und es stand geschrieben, welche Schuld man ihm gab, nämlich: Der König der Juden. Und sie kreuzigten mit ihm zwei Räuber, einen zu seiner Rechten und einen zu seiner Linken.“ (VV. 24-27)


"INRI"

Die Passionsgeschichten aller vier Evangelien stimmen darin überein, dass für die Hinrichtung Jesu in letzter Instanz der römische Präfekt Pontius Pilatus die Verantwortung trug. Den Christen war dieses historische Faktum so wichtig, dass sie es in das Apostolische Glaubensbekenntnis aufgenommen haben: „… gekreuzigt unter Pontius Pilatus“.

Jesu zeichenhafte Handlung im Jerusalemer Tempel war für die jüdischen Autoritäten der Anlass gewesen, ihn festzunehmen. Hatte Jesus doch durch sein Auftreten im Jerusalemer Tempel und die Vertreibung von Händlern und Geldwechslern das Ende dieser religiösen Institution angesagt. An die Stelle des Opferkults sollte nämlich die unmittelbare Nähe Gottes treten – anstelle eines Tempels ein Bethaus für alle Völker.

Dagegen spielte im Verhör vor Pilatus Jesu Tempelaktion keine Rolle. Was ihm hier vorgehalten wurde, ist dem Kreuzestitulus zu entnehmen. Es entsprach römischem Hinrichtungsbrauch, dass dem Verurteilten eine Tafel mit der Angabe seiner Schuld vorangetragen oder umgehängt wurde. Im Falle Jesu wurde sie oben am Kreuz befestigt. Laut dem Johannesevangelium war darauf sogar in drei Sprachen, und zwar auf hebräisch, lateinisch und griechisch, zu lesen:

יֵשׁוּעַ הַנָּצְרִי  מֶלֶךְ  הַיְּהוּדִים

Ἰησοῦς ὁ Ναζωραῖος ὁ βασιλεὺς τῶν Ἰουδαίων

„Iesus Nazarenus rex Iudaeorum“.

Das bedeutet übersetzt: „Jesus der Nazoräer, der König der Juden“ (Joh 19,19).

INRI ist davon die Abkürzung, gebildet aus den Anfangsbuchstaben dieser vier lateinischen Worte.

Jesus wurde vonseiten der Römer also als politischer Aufrührer hingerichtet, der für sich den Anspruch erhoben habe, der König der Juden zu sein. Mögen auch Jesu Anhänger messianische Erwartungen an ihn herangetragen haben, so ist es eher fraglich, dass Jesus sich selbst als Messias verstanden hat, der für sich die Königsherrschaft über Israel beansprucht.

Wenn die Christen nach Ostern sich zu Jesus als ihrem Messias bekannten, dann konnte dies nur in einer völlig neuen Deutung dieses Titels geschehen. Der Messias ist für sie kein weltlicher Herrscher mehr, das Reich Christi ist nicht von dieser Welt.

Ganz in diesem Sinne bekennt sich im Markus-Evangelium der römische Hauptmann unter dem Kreuz zu Jesus als dem wahren Gottessohn. Wurden frühere Bekenntnisse zur Messianität Jesu in diesem Evangelium stets mit einem Schweigegebot belegt, entfällt angesichts des Gekreuzigten jeglicher Vorbehalt.

Im Zeichen des Kreuzes kann Jesus als Messias recht verstanden werden. Als der Leidende kann Jesus helfen, nicht als einer, der über dem Leiden steht. Gerade als Leidender vermittelt Jesus wahres Leben. Er weckt neues Vertrauen und Hoffnung auf Gott.

Wenn wir uns als Christinnen und Christen zu Jesus als dem Christus bekennen, dann bringen wir damit zum Ausdruck, dass wir seinem Wort vertrauen. Wir setzen unsere Hoffnung darauf, dass Jesu Wort sich auch an uns und durch uns bewahrheitet: „Selig sind, da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.“

Gebet

Wir beten.
Herr, unser Gott. Allzu leicht lassen wir uns von äußerer Macht und Glanz beeindrucken. Das Leiden und Sterben Jesu am Kreuz gibt uns zu erkennen, worauf es wirklich ankommt: das Einstehen für die Wahrheit gegen die Lüge, für die Solidarität mit den Benachteiligten und für die Liebe, die keine Grenzen kennt.

Damit wir darin Jesus als unserem Herrn nachfolgen können, rüste uns aus mit neuer Kraft und lass uns deine Nähe erfahren. Amen.