Miteinander reden - Miteinander lernen

A wie Auferstehung Jesu

Von A bis Z. Wegweisende Texte 2

Auferstehung Jesu

Liebe Leserin, lieber Leser,

auch wenn ich gewiss nicht mit allem konform gehe, was der ehemalige Propst für Rheinhessen, Helmut Kern, in seiner Osterbetrachtung vor rund 35 Jahren geschrieben hat, so bin ich doch der Meinung, dass dieser Text wichtige Gesichtspunkte der Osterbotschaft herausstellt, über die es sich lohnt, weiter nachzudenken.

Helmut Kern schreibt: „Dass Jesus lebt, will nicht demonstriert, das will erfahren werden, damals wie heute.Für mich heißt das: An Ostern geht es darum, dass Jesu Geist in uns lebendig ist, dass seine Worte uns berühren und unserem Leben eine gute Richtung weisen.

Wie wichtig Jesu Versöhnungsbotschaft ist, dürfte uns in den letzten Wochen und Monaten immer deutlicher geworden sei. Allen Versuchen, die Gesellschaft zu spalten – sei es durch Verschwörungstheorien, Rassismus, Intoleranz oder politische Ideologien –, gilt es zu widerstehen. In der Nachfolge Jesu, unseres Herrn, ist uns aufgetragen, uns für Wahrheit und Versöhnung zu engagieren – Versöhnung zwischen Menschen untereinander, zwischen Staaten und Nationen, zwischen Mensch und Natur.

Es grüßt Sie freundlich
Ihr Werner Zager

 

Gottes Ja zum Gekreuzigten

Gedanken zur Osterbotschaft
Von Propst Helmut Kern

Was bedeutet Ostern? Genauer: Was bedeutet die Osterbotschaft? An dieser Frage entscheidet sich letztlich der christliche Glaube! „Christ ist erstanden!“, ist das eine Botschaft christlich-österlicher Gewohnheit oder eine eigentlich unmögliche Behauptung? Eine Botschaft, nicht nur wunderbar, sondern wunderlich! Ein Wunder, das den ganzen Widerspruch aller denkenden Menschen hervorrufen muss! Die Botschaft von der Auferstehung Jesu weckt Anstoß, seit sie laut wird.

An Versuchen, sie auf eigene Weise zu interpretieren, zu verstehen, ihr nahezukommen, ist kein Mangel. „Der Herr ist auferstanden!”, wieviel leichter kommt vielen solcher Ruf über die Lippen bei anbrechendem Tag in einer Feier der Osternacht. Ja, wenn uns ein neuer Tag noch Wunder ist, nicht selbstverständlicher naturbedingter Wechsel von der Finsternis zum Licht, sondern Gottes Gabe, dann mag das Wunder eines neuen Tages schon ein legitimes Symbol für das Wunder des Lebens sein, das Gott am Ostermorgen über den Tod siegen ließ. Aber eine erwachende Frühlingsnatur und ein erwachender Tag als naturgegebene Gesetzmäßigkeiten verstanden, die als solche das Wunder der Auferstehung Jesu Christi „verstehbar“ machen sollen, das wäre allerdings kein christlicher, sondern ein zutiefst heidnischer Glaube!

Über den Ostermorgen gibt es im Neuen Testament verschiedene, voneinander abweichende Berichte. Warum? Weil das, was an Ostern geschehen ist, offenbar in keinem historischen Bericht einzufangen ist und sich menschlicher Geschichtsschreibung entzieht. Gottes Geschichte ist größer als unsere engstirnige Menschengeschichte. „Auferstehung“ heißt, dass auch die Berichterstattung über Ostern aus der Ebene unserer Geschichtsschreibung „auferstehen“ muss. Wer Ostern wie einen Abschnitt aus einem Geschichtsbuch liest, bekommt die Auferstehung als Wunder gerade nicht vor Augen.

Gerade die Vielfalt der Ostererzählungen ist ein Hinweis darauf, dass das, was hier geschehen ist, so außerordentlich, so einmalig, so gewaltig den ersten Christen widerfuhr, dass sie mit ihren menschlichen Worten und Bildern dem, was da eigentlich geschehen war, nur andeutungsweise gerecht werden konnten.

Natürlich hat man seit dem ersten Ostern in Jerusalem immer wieder danach gefragt, ob das denn stimme mit der Auferstehung Jesu. Und die Bemühungen, möglichst dicht an das Auferstehungsgeschehen selbst heranzukommen, sind immer wieder groß gewesen. Aber so oft wir Menschen das Wunder der Auferstehung Jesu befragen, sind die Zeugen des Neuen Testamentes auffallend untaugliche Gesprächspartner geblieben. Nicht, dass wir nicht fragen dürften; aber all unsere Fragen nach dem „Hergang“ der Auferstehung Jesu bleiben unbeantwortet. Wenn die Auferstehung Jesu wirklich Wunder ist, dann muss sie sich all unseren neugierigen Fragen entziehen, dann ist sie schon damals nicht protokollierbar und wäre sie heute nicht fotografierbar gewesen. Nicht Zeugen der Auferstehung, nur Zeugen des Auferstandenen konnten die Botschaft „Der Herr ist auferstanden“ weitersagen. Er hatte sie überwunden, kein leeres Grab, keine missdeutbaren Erscheinungen, nein: er selbst! Auch heute kommen Menschen nicht anders zum Osterglauben: Kein theologischer Lehrsatz, kein Dogma der Kirche bringt den Osterglauben. Das will und muss der Auferstandene selbst tun.

Die Auferstehung Jesu ist kein „Spektakel“, das man damals auf den Straßen Jerusalems oder heute in Boulevardzeitungen, Illustrierten oder auch in geistreichen Betrachtungen seriöser Tageszeitungen auf den Markt bringen kann. Christlicher Osterglaube starrt nicht auf ein wundersames Ereignis von damals und bleibt daran hängen. Dass Jesus lebt, will nicht demonstriert, das will erfahren werden, damals wie heute.

Unser tägliches Leben läuft weithin so ab, als gäbe es die Osterbotschaft nicht! „Sie gehört in die Kirche“, sagt man. „Sie gehört ans Sterbebett, in die Einzelseelsorge, aber nicht in die raue Wirklichkeit des Lebens, wo man einen auferstandenen lebendigen Jesus nicht gebrauchen kann.“

Warum wehrt man sich so sehr und so gern gegen den Jesus, der bezeugt: „Ich lebe!“? Weil er zugleich sagt: „Ich war tot!“ Denn das erinnert daran, dass der Gekreuzigte lebt, der, der einen Tod starb, der Antwort war auf ein Leben, das die Liebe Gottes auch zu Feinden und Schuldigen lebte. Ein Leben, dem man nachrief: „Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen!“ Ein Leben, das lehrte, dass der Mensch wichtiger sei als der Feiertag, dass Gottesdienste, die nicht dem Heil und dem Wohl des Menschen dienten, keine rechten Gottesdienste seien. Ein Leben, das mit der alten prophetischen Botschaft ernst machte: „Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.“ Ein Leben, dem man das „Kreuzige ihn!“ zurief. Ein Leben, von dem Johannes in seinem Evangelium sagt: „Und die Seinen nahmen ihn nicht auf!“ Ein Leben, mit dem man fertig wurde auf einem Hügel bei Jerusalem: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche!“ So soll unser König, so soll unser Gott nicht aussehen! Dieser Jesus passt nicht in eine gute, fromme, anständige, ehrbare Welt!

Die Einwände, denen, die Osterbotschaft begegnet, sind bekannt: Wenn dieser Jesus, mit dem man ein für alle Mal fertig geworden zu sein glaubte, behauptet: „Ich lebe!“, so darf dies nicht wahr sein. Höchstens für das eigene Herz, für die „Seele“, aber nicht für das wirkliche Leben. Er sei der lebendige Herr? Nein, ganz andere Herren und Mächte bestimmen menschliches Leben. Herren und Mächte der Sünde und des Todes. Jesus habe ihnen die Macht genommen? Ein Tor, ein Schwärmer, wer das glaubt! Ist der Mensch nicht ganz massiven Mächten ausgeliefert, die er nicht einfach abschütteln kann? Muss er nicht versuchen, damit zu leben und die Sünde, die Schuld unter den Menschen in erträglichen Grenzen zu halten und den Tod möglichst feierlich oder auch heroisch zu kultivieren? Ist nicht vor allem die Kirche dazu da? Gebietet nicht die allgemeine menschliche Moral: Eintreten für das Gute und Widerstehen dem Bösen, Ja zu den Guten und Nein zu den Bösen? Da stört ein Jesus, der auch den Bösen Gottes Güte zuspricht, der nicht nur für die Guten, sondern für alle Menschen stirbt. Der muss tot sein und tot bleiben. Der darf nicht sagen: „Ich lebe“, und wenn er es sagt, dann gilt dies nur für die Feierstunden, für die religiöse Seite unseres Lebens.

Auf den auferstandenen Jesus kann man sich bei alledem nicht berufen, weil Gott dem wegen seiner Feindesliebe Gekreuzigten recht gab, so gewiss der Auferstandene noch die Nägelmale trägt. Die Osterbotschaft will jedes Freund-Feind-Denken als von Gott überwunden aufbrechen. Die heute weithin übliche Einteilung in gute und böse Menschen, die das private wie das politische Leben durchzieht, ist für viele geradezu zu einem Glaubensbekenntnis geworden. Aber solches unchristliche Denken vergiftet unser Leben. Welche Bedeutung hat die Osterbotschaft noch, wenn die meisten Christen in unserem Volk die Konfrontation der beiden Supermächte noch immer für einen notwendigen Glaubenskrieg halten, für einen Kampf des „Lichtes gegen die Finsternis“? Für einen solchen Krieg hat Jesus nicht gelebt und ist er nicht gestorben. Seine Macht heißt nicht vernichten, sondern versöhnen.

Dieser Macht hat Gott recht gegeben, sie hat gewonnen. Dem Jesus, der wegen seiner Liebe auch zu seinen Feinden getötet wurde, hat Gott „alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden“, so dass er sagen kann: „Ich habe die Schlüssel zu Tod und Hölle!“ Wir Menschen haben kein Recht, ihm diese Schlüsselgewalt zu entreißen, es sei denn um den Preis unseres eigenen Verderbens. Das sollen Christen nicht nur in ihren Kirchen predigen, sondern konkret da bezeugen, wo Menschen diese Schlüsselgewalt rauben und sich anmaßen, mit den Schlüsseln zu Tod und höllischem Inferno hantieren zu dürfen. Sie können damit letztlich nicht dem Leben dienen, sondern nur dem Tod!

Wer an den Auferstandenen glaubt und ihn als Herrn aller Herren und Mächte bekennt, tritt ein für den Sieg des Lebens, den Gott mit Ostern über alle Mächte der Gewalt und des Todes offenbar gemacht hat. Es ist ein Glaube, der nicht zu beweisen ist, dessen Wahrheit jedoch Menschen, die ihn wagten, immer wieder erfahren haben.

Aus: Wormser Zeitung, Ostern 1985, Oster-Journal.


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